Hellenismus und Bibel │ Ergebnisse der Jahrestagung 2017

Ein Bericht von Benedikt Collinet

Heuer fand die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft der Assistentinnen und Assistenten an Bibelwissenschaftlichen Instituten in Österreich vom 25.-27. September 2017 in Wien statt. Gastgeber war das Institut für Bibelwissenschaften der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Die Tagung dient sowohl der Vernetzung der österreichischen Bibelwissenschaft als auch der intensiven Diskussion über aktuelle fachliche oder gesellschaftliche Themen mit dem Ziel, das öffentliche Interesse an der Bibel zu stärken.

Hellenismus

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Foto: Michael Hölscher

Das Thema „Hellenismus“ wurde aus altorientalischer, philologischer und kulturgeschichtlicher Perspektive ausgeleuchtet. Zu den Vortragenden und Gästen zählten Fachvertreterinnnen und –vertreter aus dem gesamten deutschen Sprachraum.

Die Vorträge informierten über den neuesten Forschungsstand. Sie befassten sich etwa mit der gar nicht so einfachen Definition der Epochenbezeichnung „Hellenismus“ oder gaben Einblicke in das hellenistische Bildungs- und Erziehungswesen. Neu gefundene oder neu bewertete Septuagintahandschriften und auch Erkenntnisse bezüglich der Rekonstruktion Alexandrias um die Zeitenwende wurden ebenfalls vorgestellt.

Auslegung und Kontext

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Foto: Michael Hölscher

Wiederholt kam zu Bewusstsein, wie sehr die Auslegung von Bibeltexten vom eigenen geschichtlichen Kontext abhängt: Ein Beispiel dafür war die Auslegung der zweiten Schöpfungserzählung durch Philo von Alexandrien und Josephus Flavius. Philo will im intellektuellen Gespräch mit der Philosophie seiner Zeit die Vernünftigkeit der Schöpfungsberichte erklären. Josephus Flavius dagegen verarbeitet in seiner Auslegung bereits die Zerstörung des Zweiten Tempels (70 n. Chr.).

Die Bedeutung von Leerstellen für die Interpretation von Bibeltexten ließ sich insbesondere an der Frage nach dem Verbleib der Bundeslade in der Zeit des Zweiten Tempels zeigen: Während nach den meisten biblischen Zeugnissen von ihrem endgültigen Verlust auszugehen ist, wurde ihr angeblicher Besitz für die äthiopische Gemeinde konstitutiv.

Auch die Neubewertung hellenistischer Geschichtsquellen zur Rekonstruktion der Kompositionsstruktur von Evangelien erschloss neue Sichtweisen und bestärkte die These einer starken Verbindung von Christentum und hellenistischen Tendenzen. Die bisher angenommene Kenntnis der Schriften Philos von Alexandrien durch die Verfasser des Johannesevangeliums konnte widerlegt werden.

Integration und Identität

Ein brisantes Thema des Hellenismus war, wie sich zeigte, vor allem die Spannung zwischen Identitätsfindung und –wahrung einerseits und Inkulturation und Integration andererseits. Da diese Frage auch heute im Zuge der Flüchtlingsbewegungen wieder neue Aktualität gewonnen hat, wurde als Thema der nächsten Jahrestagung „Migration“ genannt.