Gottesbilder | Bericht zur Jahrestagung 2019

Ein Bericht von Philipp Graf

Als ein Ergebnis der diesjährigen Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Assistentinnen und Assistenten an bibelwissenschaftlichen Instituten in Österreich dürfte feststehen: Wir können nicht von Gott reden, ohne zugleich vom Menschen zu reden. Es mag also kein Zufall sein, dass diese Tagung am langjährigen Wirkungsort Karl Rahners stattfand – desjenigen Theologen, der die anthropologische Wende der Theologie angestoßen hat. Menschliche Bilder für Gott bzw. Götter sind in der Umwelt des Alten Testaments bis in die Personennamen präsent. Das Alte Testament enthält allerdings auch Kritik an diesen anthropomorphen Bildern Gottes: Die prophetische Kritik an Götzenbildern und allzu‑menschlichen Bildern von Gott gehören wohl zu den deutlichsten Beispielen dieser kritischen Tendenz. Wohl deshalb ist die Vorstellung der Präsenz Gottes im Jerusalemer Tempel ist erstaunlich bildlos. Manch biblisches Buch (Rut, Ester) hält sich auffallend zurück, vom direkten Handeln Gottes zu erzählen. Einige Psalmen beklagen diese scheinbare Abwesenheit Gottes und zitieren Feinde, deren Sätze wie praktischer Atheismus klingen. Die alttestamentliche Weisheit versucht Antworten darauf zu finden, indem sie den Körper Gottes als Gegenüber des Klagenden abbildet (Hiob), Gott als Gott für die Lebenden darstellt (Kohelet) oder Metaphern für neue Einsichten in die Macht Gottes vernetzt (Ps 102). Schließlich gilt die Weisheit als Repräsentantin von Gottes Willen für den Menschen und als Weg zu Gott (Jesus Sirach).

Eine ähnliche Strategie wie Ps 102 wählt Jesus, wenn er die Weltsicht seiner Hörer*innen in seinen Gleichnissen verändern will, indem er sich der menschlichen Imaginationskraft bedient und durch eine Bildwelt die tatsächliche Welt und geläufige Sicht von Gott der Kritik unterzieht. Im Johannesevangelium wird Jesus selbst zum Gleichnis Gottes, indem er mit seinen Ich-bin-Worten auf Gott verweist oder durch ihn Gottes Namen verherrlicht wird. Das primäre Ziel des Johannesevangeliums ist also nicht in seiner sog. „hohen Christologie“ zu sehen, sondern in seinem Bestreben, Ideen des Alten Testaments aufzugreifen und Jesus als endgültigen Exegeten des Vaters (vgl. Joh 1,18) darzustellen.

Wie eine Zusammenfassung der Tagung wirkte der Blick auf die Offenbarung des Johannes, wo sich theologische Linien des Alten und Neuen Testaments zu einer Vorstellung vom lebendigen Gott vereinen, „der ‚Er war‘, der Seiende und der Kommende“ ist. Erstaunlich ist, dass dieser Gott bildlos auf einem Thron sitzt und zugleich durch das Lamm repräsentiert wird, das Christus ist. Die Offenbarung des Johannes ermuntert zum Lobpreis des Heils, das schon da ist und nicht erst kommt, weil es in Christus präsent geworden ist. Des Menschen Heil als Präsenz Gottes – Zielpunkt dieser Tagung? Auf jeden Fall Herausforderung für Theologie und Kirche!

Gruppenfoto_Tagung2019

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jahrestagung 2019 in Innsbruck (Foto: Andrew Doole)