Jesaja | Bericht zur Jahrestagung 2020

Ein Bericht von Benedikt Collinet

Auch heuer trafen sich wieder über 20 Bibelwissenschaftler*innen aus dem deutschen Sprachraum, um sich gemeinsam einem Thema zu stellen. In diesem Jahr stand mit seinen beachtlichen 66 Kapiteln das umfangreichste Buch der Bibel im Fokus: Jesaja. Die Vorträge spannten einen Bogen von den altorientalischen Quellen über Detailstudien und theologische Fragestellungen bis ins Neue Testament hinein.

So wurde etwa untersucht, wie aus einem Spottlied auf den König von Babel (Jes 14) der Teufel als Lichtträger (Lucifer) werden konnte oder auch danach gefragt, welches Gottesbild die Körperbeschreibungen in Jesaja hervorbringen. Dabei spielt nämlich längst nicht nur der „starke Arm Gottes“ eine Rolle, sondern es sind über 100 Körperteile verzeichnet – unter anderem an prominenten Stellen wie der Vision zur Prophetenberufung in Jes 6 oder den Gottesknechtsliedern. Doch auch das Ägyptenbild des Jesaja und der universale Heilswille Gottes waren eigene Themen der Tagung, sowie die kanontheologische Frage, ob Jesaja in der Lage ist, die theologischen Antworten auf die emotional stark besetzten Leiderfahrungen des Exils, die am Ende der Königsbücher stehen, zu geben.

Im Neuen Testament wurden Johannes und Paulus in Beziehung zum großen Prophetenbuch gesetzt. Einerseits wurde Jesaja als Vorbild der Ich-bin-Worte aufgezeigt. Andererseits konnte veranschaulicht werden, dass Paulus in der Auswahl seiner Bibelzitate nicht nur sehr wählerisch, sondern vor allem exegetisch verantwortbar vorging. Dennoch lässt sich die Auswahl seiner Zitate oder auch eine Auslassung nicht immer erklären.

Der abschließende Vortrag stellte eine Verbindung zwischen Bibel und Menschenrechten anhand des Gottesknechts her und zeigte auf, inwiefern die Bibel als Quelle und Diskussionspartnerin im Menschenrechtsdiskurs der Pädagogik fruchtbar gemacht werden kann.

Bedingt durch die gegenwärtigen Einschränkungen fand die Tagung online statt, was auch Einfluss auf die Wahl des nächstjährigen Themas hatte. Da die ArgeAss sich immer wieder vornimmt, auch zu aktuellen Themen in Politik und Gesellschaft die Bibel zu befragen (s. etwa die Jahrestagung 2018 zum Thema „Flucht und Migration“) wird die kommende Tagung im Nachgang der Corona-Pandemie lauten: „Seuchen, Krankheit und Heilung“. Sie soll während der Bibelfestwoche (September 2021), welche die Jahre der Bibel in Österreich abschließt, stattfinden.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der digitalen Jahrestagung 2020