Seuchen, Krankheit, Heilung | Bericht zur Jahrestagung 2021

Vom 27.-29.09.2021 fand die diesjährige Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Assistent*innen an bibelwissenschaftlichen Instituten in Österreich statt; pandemiebedingt auch dieses Jahr online. Zwischen 25-35 Personen, von Wien bis Bolivien, nahmen an der Tagung teil und stellten sich dem Thema „Seuchen, Krankheit, Heilung“. Zugegeben, bei der Wahl des Themas vor einem Jahr dachten wir, es würde in der Aktualisierung der biblischen Texte eher ein Rückblick auf bewegt pandemische Zeiten. Dass wir immer noch so aktuell am Puls der Zeit sind, damit hatten wir nicht gerechnet.

So aber begaben sich die Teilnehmer*innen in drei intensive Tage, die zeigten, dass die Menschheit nicht erst seit Corona mit Seuchen kämpft, wie Jesus wohl mit einer Pandemie umgegangen wäre, dass unkontrolliert schreiende Männer ein Hinweis auf Dämonenbesessenheit sein konnten (bei Frauen zeigte sich Besessenheit eher im Schweigen), oder dass das Phänomen „Liebeskrankheit“ bei weitem kein neuzeitliches ist.

Nach einer generellen Einführung zum Thema Seuchen in altorientalischer Zeit folgten einige sehr plastische Eindrücke von Krankheits- und sogar Todesbringern in der Bibel. Würmer und Schlangen waren tendenziell eher zu meiden, ein Hinweis, der auch heute gültig ist. Weiters stellte sich die Frage, was Ijobs veränderter äußerlicher Zustand durch Krankheit (Ijob 2,7) mit seiner Religiosität macht. Eine sehr aktuelle Frage angesichts unserer multimedialen Welt, in der sich viele Menschen (nur) über ihr Äußeres definieren.

Der zweite Tagungstag spannte den Bogen über alt- bis neutestamentliche Texte und warf schon erste Lichter darauf, was uns in der Tagung 2022 („Körper und Disability Studies“) erwarten könnte.

Eine der Fragen lautete, wie Frauen durch die Reinheitsgebote im Buch Levitikus aufgrund ihrer Menstruation diskriminiert wurden. Abseits des exegetischen Diskurses, regten besonders die Daten zum aktuellen gesellschaftlichen Umgang mit dem Tabuthema Menstruation zum Nachdenken an. Zwei Vorträge des Tages boten eine Suche nach momentan sehr vertrauten Bildern. Einerseits die Frage nach Quarantänevorschriften im Buch Levitikus und griechischen Inschriften. Zusammengefasst: 2020 war bei weitem nicht das erste Jahr, in dem Personen mit ansteckenden Krankheiten Absonderungbescheide erhielten.

Andererseits die Frage danach, ob sich bei Jesus Spuren finden, wie er wohl mit unseren Quarantänevorgaben umgegangen wäre, wenn man sein Verhalten in den Evangelien analysiert. Zwei Vorträge beschäftigten sich mit psycho-physischen Einschränkungen.

Der dritte Tagungstag rundete das Thema ab mit einem Blick in die Weisheitsliteratur und zwei Vorträgen zum johanneischen Schrifttum. Im Vergleich von Hohelied und altägyptischer Lyrik ließ sich zeigen, dass das Phänomen der Liebeskrankheit die Menschen schon sehr lange beschäftigt. Ein Vortrag zu Heilung im Sprüchebuch zeigte v. a., dass es bei Heil und Heilung in diesem alttestamentlichen Weisheitsbuch um ein gutes Leben ging, was aktuell in Verbindung mit dem Konzept von Salutogenese (Was macht Menschen gesund?) gebracht wurde.

Zwei Vorträge mit Blick in die Welt des Johannesevangeliums und der Offenbarung zeigten: Jesus, der Logos und Schöpfungsmittler zeigt sich im Johannesevangelium auch als (Neu-)Schöpfer, in dem seine Heilungen neues Leben ermöglichen. Die Androhung von Plagen als Strafen in der Johannesoffenbarung zeigt den jahrtausendealten Wert von Gesundheit, wenn der Autor davon überzeugt ist, dass allein die Androhung von Krankheit genügt, um fehlgeleitetes Verhalten zu verhindern.

Was bleibt? – Jedenfalls die Erkenntnis, dass Seuchen und Krankheiten seit langem Teil der Menschheit sind, die immer Wege gefunden hat damit umzugehen. Dass biblische Texte, abgesehen von spannenden exegetischen und sozialgeschichtlichen Fakten immer wieder Mut spenden in zuerst aussichtslos scheinenden Situationen und dass gerade biblische Texte, in aller Ernsthaftigkeit, auch ihren Humor nicht verlieren, der sprichwörtlich – immer noch die beste Medizin ist.

Die ArgeAss 2022 wird vom 26.-28. September in Wien tagen und sich mit dem Thema „Körperlichkeit und Disability Studies“ beschäftigen.

Eva Puschautz